In Österreich wurden im Jahr 2020 11,5 Hektar Boden täglich in Anspruch genommen – das entspricht einer Fläche in der Größe von Eisenstadt in einem Jahr. Zersiedelung ist eine der Hauptursachen für die sehr hohe Flächeninanspruchnahme in Österreich. 

Was ist Zersiedelung?

„Unter Zersiedelung versteht man die Errichtung von Gebäuden außerhalb von ‚im Zusammenhang bebauten‘ Ortsteilen oder das ungeregelte und unstrukturierte Wachstum von Ortschaften in den unbebauten Raum hinein.“ Diese Form der Siedlungsentwicklung bedeutet immer einen enormen Ressourcenverbrauch, nicht nur von Fläche. Auch Gemeinden entstehen hohe dauerhafte Kosten durch zusätzliche Verkehrsinfrastruktur, Kanal- und Energieversorgung, die zumeist von der Allgemeinheit getragen werden.

Die Zersiedelung kann als eine der Hauptursachen für die sehr hohe Flächeninanspruchnahme in Österreich genannt werden. Zersiedelung zeigt sich in Streusiedlungen ohne öffentliche Anbindung fernab von Dörfern oder Städten; in großflächigen Einkaufszentren in Randlagen mit riesigen Lagerflächen und Parkplatzanlagen; an den Pendler:innen, die mit langen Anfahrtsstrecken täglich aus dem „Speckgürtel“ in die Stadtzentren zur Arbeit fahren; an wochenlang leer stehenden Zweitwohnsitzen in Touristendestinationen. Folgen der Zersiedelung sind die Zerschneidung der Landschaft, v. a. durch Straßen und andere Infrastruktur, oder ein überproportional hoher Flächenbedarf pro Kopf im Vergleich zu kompakten Siedlungsstrukturen. Es gibt aber auch andere, nicht sofort sichtbare Folgen, wie z. B. weitaus höhere Pro-Kopf-Kosten für die Erhaltung der notwendigen Infrastruktur wie Kanal, Stromleitungen, Internet.

Was ist der Donut-Effekt?

Als „Donut-Effekt“ bezeichnet man das Phänomen sich leerender Orts- und Stadtkerne bei gleichzeitigem Wachstum in Siedlungsrandlage. Dies führt dazu, dass wichtige Infrastruktur, aber auch Wohnen, Freizeit und Gewerbe an die Ortsränder abwandern, während die Ortszentren verwaisen. Das führt auch zu einem höheren Verkehrsaufkommen.

Auch für gewerbliche Zwecke werden in Österreich viele Flächen in Anspruch genommen. So liegt Österreich mit rund 1,6 m2 Einkaufsfläche pro Kopf auf Platz zwei in Europa (gleich nach Belgien). Verstreut liegende Einkaufszentren mit riesigen Lagerhallen zieren die Randbereiche von Österreichs Städten. Die Anzahl dieser Gewerbeparks haben sich vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2019 mehr als verdoppelt. Man findet Baumärkte, Bekleidungsdiskonter, Sportfachgeschäfte, Drogeriemärkte, Gartencenter, Lebensmittelhändler, Freizeit- und Gastronomiebetriebe rund um großflächige Parkplatzanlagen.

Einfamilienhaus: Vom Wohntraum zum Problem

Bis ins 19. Jahrhundert lebten die Menschen entweder in Städten oder Dörfern. Die damalige Bauform war dicht, um möglichst wenig (landwirtschaftlich nutzbaren) Boden zu verbrauchen und einen gemeinsamen öffentlichen Raum zu erzeugen. Diese dichte Siedlungsstruktur, kombiniert mit einer hohen Dichte an Kleingewerbe, ermöglichte den Bewohner:innen, alle täglichen Besorgungen zu Fuß zu machen. In vielen Fällen fanden Wohnen und Arbeiten an ein und demselben Ort statt. Durch die Industrialisierung kam es zu einer Funktionstrennung von Wohnen und Arbeiten, was weitreichende Folgen für die Raumentwicklung hatte.

Einfamilienhäuser erlebten in Österreich in den 1970ern einen ersten Höhepunkt. Häufig wurden und werden für den Bau dieser Einfamilienhaussiedlungen die Ziele und Intentionen eines flächensparenden Umgangs mit Grund und Boden verfehlt. Die Konsequenz ist die Zersiedelung. Während Stadt- oder Dorfhäuser heute noch flächensparend gebaut sind, entstehen durch die geringe Bebauungsdichte in Einfamilienhaussiedlungen bzw. durch abgelegene Siedlungsbereiche hohe Kosten für den Bau und Erhalt von Straßen, Kanälen und Energiezufuhren, die die Gemeinden belasten. Da die Bewohner:innen für Alltagstätigkeiten wie Arbeiten, Bildung, Freizeit oder Einkaufen häufig motorisierte Fahrzeuge brauchen, steigen die CO2-Emissionen. Hinzu kommt, dass viele ältere Hausbesitzer:innen in ihren Häusern vereinsamen oder nicht mehr in der Lage sind, Haus und Garten zu führen, sodass mit ihrem Wegzug Leerstände entstehen. Das frei stehende Einfamilienhaus versiegelt pro Person nicht nur mehr wertvollen Boden als bei anderen Wohnformen sondern verbraucht auch etwa zehnmal so viel Erschließungskosten wie ein dichter, mehrgeschoßiger Wohnbau. Dazu kommt, dass die in Anspruch genommene Fläche pro Person in einem frei stehenden Einfamilienhaus viel größer ist als in einer mehrgeschoßigen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Wohnen im Einfamilienhaus ist also aus Sicht des Bodenschutzes ein Privileg, das sowohl auf Kosten der Allgemeinheit, die für die Erschließungs- und Erhaltungskosten aufkommen muss, als auch auf Kosten wertvoller Naturräume und landwirtschaftlich nutzbarer Räume geht.

Mobilität: Mehr Zersiedelung braucht ein weitläufiges Straßennetz

Die überdurchschnittlich hohe Versiegelung von Flächen für Autobahnen, Kreisverkehre, Parkplätze oder Tiefgaragen wird u. a. durch die nicht nachhaltige Raumplanung der letzten Jahrzehnte verursacht. Die Abwanderung des Einzelhandels, aber auch von Produktionsstätten und Wohngebieten an die Ortsränder, führt zu einer hohen Verkehrsbelastung und damit wiederum zu Argumenten zum Bau von neuer Infrastruktur für die Fahrzeuge. Das Burgenland weist dabei die höchste relative Flächeninanspruchnahme auf. Wien punktet durch die gute Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln. Zusätzlich erhöht sich durch Zersiedelung auch der Pkw-Bestand von Privathaushalten. In weniger als 20 Jahren verdoppelte Österreich seinen Bestand an Zweit- und Drittautos.

Zum Weiterlesen

Die Zukunft unseres Bodens
Das Dilemma der Flächenwidmung
Welche Probleme verursacht die Flächeninanspruchnahme in Österreich?
WWF: Bodenverbrauch in Österreich. WWF-Bodenreport


Quellen

Forum Umweltbildung (2022): Die Zukunft unseres Bodens. Boden schützen und nachhaltig nützen. Wien: Eigenverlag.