Beim Rollenspiel werden reale Situationen, Probleme oder Konflikte nachgestellt und durch die Rollenverteilung von verschiedensten Seiten beleuchtet. Die Teilnehmer:innen können eigenes und fremdes Verhalten erfahren und dabei Identifikation und Distanz erleben. Die Auswertung des Rollenspiels im Anschluss an die Durchführung ermöglicht die Reflexion des Erlebten und bietet die Möglichkeit ganz neuer Erfahrungen.

Die sorgfältige Vorbereitung lohnt sich – für alle
Nach der Schilderung der zu simulierenden Situation werden die einzelnen Rollen vorgestellt – am besten durch Präsentation am Overhead, wobei die Charaktere kurz besprochen werden. Oft genügen wenige Stichworte: ein lustig oder exotisch klingender Name, Titel und Funktion – und schon sehen die Jugendlichen den:die trockenen Wissenschafter:in, den:die parteigebundenen Politiker:in, den:die in Zahlen denkenden Geschäftsmann:-frau klar vor sich. Auch Verkleidungen (Krawatte, weißer Labormantel) verstärken die Wirkung der Rolle und die Selbstsicherheit der Mitspieler:innen.
Gemeinsam mit den Schüler:innen soll besprochen werden, ob die Rollen frei auswählbar sind oder per Los zugeteilt werden. Spielt man das erste Mal, ist es ratsam, die Jugendlichen ihre Rollen selbst aussuchen zu lassen. Bei mehr Erfahrung ist es durchaus sinnvoll, wenn die Rollen von der Lehrperson verteilt werden. Denn ein Rollenspiel, das die Schüler:innen möglichst weit von ihrem „Normalverhalten“ wegführt, fördert den gewünschten Prozess des Um- und Weiterdenkens in besonderer Weise.
Zu klären ist auch, ob die gesamte Klasse an der Diskussion teilnimmt oder ob sie in Spieler:innen und Zuschauer:innen geteilt wird. Bei einer Podiumsdiskussion beispielsweise sind Reaktionen des Publikums durchaus erwünscht, bei einer Fernsehdiskussion hingegen nicht vorgesehen.

Die Information muss gut dosiert sein – dann bleibt´s spannend
In den Rollenbeschreibungen können die darzustellenden Charaktere sehr detailliert beschrieben werden, es können aber — bei mehr Erfahrung — auch nur die Rollen vorgestellt werden, sodass die Spieler:innen selbst Argumente finden müssen. Bei noch mehr Erfahrung im Rollenspiel werden lediglich die Argumente aufgelistet und die Jugendlichen versuchen selbst, daraus Rollen zu entwickeln.
Im Normalfall jedoch gibt die Rollenkarte auch die Argumente der jeweiligen Person bekannt. Hier ist das Prinzip der „lückenhaften Information“ von besonderer Bedeutung. Die Rollenkarte sollte nicht alle wesentlichen Informationen, die zum Selbstverständnis des gespielten Charakters benötigt werden von vornherein vorgeben. Erst während der Diskussion sollen die Jugendlichen – durch die Beiträge der anderen – in die eigene Rolle ganz hineinwachsen, die Tiefe verstehen und ihren Stellenwert am Ende der Diskussion richtig einordnen lernen.

Bewährt hat es sich auch, wenn innerhalb gleicher Interessensgruppen gegensätzliche Argumente auftauchen. Dadurch wird ein immer neues Umdenken, ein Zwang zur Hierarchisierung von Wertvorstellungen und zu immer differenzierterer Urteilsbildung bei Vertreter:innen der gleichen Gruppe ausgelöst.

Auch ist bei der Wahl der Argumente darauf zu achten, dass die Argumente verschiedener Interessensgruppen ineinander greifen, dass also auch hier das Selbstverständnis der:des Einzelnen durch die Beiträge von Vertreter:innen anderer Rollen vertieft oder auch wieder ganz in Frage gestellt wird.
Von besonderer Bedeutung ist es hier auch, am Anfang für jede Interessenvertretung zu diskutieren, welche Interessen nicht oder nur unter besonderen Bedingungen Gegenstand von Kompromissen sein können.

Auch die Diskussionsleitung liegt in der Hand der Schüler:innen
Die Diskussionsleitung sollte wenn möglich nicht von der Lehrperson übernommen werden, da das spielerische Agieren der Jugendlichen beeinträchtigt werden könnte. Zudem hat die Funktion der Diskussionsleitung enorme Lernpotenziale. Für einen erfolgreichen Spielverlauf ist es unerlässlich, die Sitzordnung zu verändern – die Moderation sollte den Überblick über alle Teilnehmer:innen haben. Insgesamt sollten sich die Schüler:innen ansehen können und ihre „Redner:innenposten“ frei entfalten können.
Die Moderation hat dafür zu sorgen, dass die Diskussion nicht einseitig verläuft und dass alle Beteiligten zu Wort kommen. Ermutigende Sätze wie: „Was sagen Sie dazu, Frau Doktor?“ können dabei helfen. Es empfiehlt sich, als Moderation Schüler:innen auszuwählen, die durch selbstsicheres Auftreten und durch Kooperationsbereitschaft auffallen. Das Niveau der Diskussion hängt im entscheidenden Maße von der Qualität der Diskussionsleitung ab.

Der eigentliche Höhepunkt des Rollenspiels – die Auswertung
Bereits vor dem Spiel sollte ganz klar darauf hingewiesen werden, dass es ein Auswertungsgespräch geben wird. Hier werden die Geschehnisse im Rollenspiel auf der faktischen Ebene geklärt, Empfindungen und Einsichten der Teilnehmer:innen analysiert und Zusammenhänge hergestellt. Nicht nur die Spieler:innen selbst, sondern auch die Zuschauer:innen sollen über ihre Eindrücke berichten. Dabei erfahren die Rollenspieler:innen und der Rest der Gruppe etwas über die Situation, die darin gespielten Personen und nicht zuletzt etwas über sich selbst.
Mit gezielten Fragen kann die Auswertungsdiskussion vereinfacht werden:

  • Wie hast du das Spiel gefunden? (zu dieser Frage sollten sich zu Beginn alle äußern)
  • Wie realistisch war die Diskussion?
  • Warum hast du deine Rolle gewählt? Wie hast du dich in deiner Rolle gefühlt?
  • Wie stark hast du dich mit deiner Rolle identifiziert? Warum?
  • Konntest du deine Position gut in die Diskussion einbringen? Hat sie sich im Laufe der Veranstaltung verändert?
  • Welche Argumente waren besonders überzeugend?
  • Wie seid ihr zu eurer Entscheidung gekommen?
  • Was ist dir zu diesem Thema durch das Spiel deutlich geworden?
  • Welche Erfahrung, Einsichten, Lernprozesse hast du Gemacht? (Sachinformation, Diskussionstechnik usw.)
  • Hast du Auswirkungen des Rollenspiels bei anderen Diskussionen bemerkt?
  • Was war für dich besonders interessant, motivierend, störend, lehrreich?

Quellen

Rollenspiele in der Umwelterziehung (ARGE Umwelterziehung)

Heinz Klippert
Kommunikations-Training, Übungsbausteine für den Unterricht
Beltz

M. Van Ments
Rollenspiel effektiv
Ein Leitfaden für Lehrer, Erzieher, Ausbilder und Gruppenleiter.
Oldenbourg