Im Laufe des 20. Jahrhunderts gingen rund 75 % der Kulturpflanzenvielfalt unwiederbringlich verloren. Die Auswirkungen sind weltweit spürbar.

Bei dem Begriff der Biodiversität denken nur wenige an Kulturpflanzen. Doch auch diese sind definierender Faktor für die biologische Vielfalt einer Region und werden gemeinsam mit Nutztieren und den Agrarökosystemen als Agrobiodiversität zusammengefasst. In früheren Jahrhunderten sorgten Bäuer:innen durch eigene Samenaufzucht, -tausch und -handel für die genetische Durchmischung der lokal vorkommenden Arten. Seit einigen Jahrzehnten haben jedoch große Saatgutproduzenten das Monopol in der Hand. Durch die Produktion sogenannter „Hybridsorten“ die ertragreicher, aber nicht samenfest sind, treiben sie Bäuer:innen weltweit in die Abhängigkeit und sorgen für den Verlust sogenannter „Landsorten“.

Die genetische Durchmischung dieser „Landsorten“ sorgt dafür, dass diese resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge sind, sowie optimal an Boden und Klima der Region angepasst sind. Sie produzieren Erträge in unterschiedlichen Farben und Formen und sorgen für eine hohe Diversität auf unseren Tellern. Pflanzen von Hybridsorten dagegen weisen eine hohe genetische Ähnlichkeit auf – bei einem Krankheits- oder Schädlingsbefall ist meist die gesamte Kultur betroffen.

Schwindende Vielfalt

Der größte Teil der zur Verfügung stehenden Kulturpflanzenvielfalt wird heute unternutzt – also deutlich weniger angebaut, als es zur Erhaltung notwendig wäre. Gerade in den westlichen Industrienationen werden „Landsorten“ kaum noch angebaut. Laut Wissenschafter:innen sind im letzten Jahrhundert rund 75 % der Kulturpflanzenvielfalt unwiederbringlich verloren gegangen.

Beispielsweise hatte Indien ursprünglich rund 110 000 einheimische Reissorten, die unterschiedlichste Eigenschaften aufwiesen – einige hatten besonders hohe Nährstoffgehalte, andere waren besonders gut an Dürreperioden angepasst. Seit der Einführung der sogenannten Hochleistungssorten – diese erbringen deutlich höhere Erträge – sind etwa 90 % der heimischen Reissorten verschwunden.

Bedrohung der Ernährungssicherheit

Die Erhaltung der Agrobiodiversität und die damit verbundene Saatgutvielfalt sind notwendige Schritte zur Aufrechterhaltung der weltweiten Ernährungssicherheit. Eine hohe Kulturpflanzenvielfalt ermöglicht eine Anpassung von Pflanzen an die sich verändernden Klima- sowie Umweltbedingungen. Sie garantiert die Ausprägung von Resistenzen gegen Krankheiten und Schädlinge und fördert die Gesunderhaltung der lokalen Ökosysteme. Der rapide Verlust von Kulturpflanzenvielfalt hat durch die Minimierung der genetischen Vielfalt dramatische Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit aller Menschen. Deshalb ist unter anderem die Förderung von gleichberechtigtem Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen sowie von Saatgutvielfalt von großer Bedeutung.

Zum Weiterlesen

Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Kulturpflanzen – Vielfalt erhalten


Quellen

Verein Arche Noah (o.D.): Wozu Vielfalt? https://arche-noah.at/sortenerhaltung/wozu-vielfalt

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (2021): In Gefahr - Der Ursprung aller Nahrungsmittel. https://dgvn.de/meldung/in-gefahr-der-ursprung-aller-nahrungsmittel

Spektrum (2020): Vergessene Körner. www.spektrum.de/magazin/biodiversitaet-vergessene-reissorten/1736686