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Bericht vom 11. World Environmental Education Congress in Prag

Unter schwierigen geopolitischen und gesundheitlichen Bedingungen fand von 14. bis 18. März die Welt-Umweltbildungstagung in Prag statt, bei der rund 550 Teilnehmer:innen aus der ganzen Welt on- und offline mit dabei waren. Auch das Forum Umweltbildung war mit einem Materialienstand vor Ort.

Building Bridges

Tag eins der Konferenz stand unter dem Konferenzmotto „Building Bridges“. Besonders wesentlich ist es, Brücken zu bauen, um eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden und zwischen Bildung und Gesellschaft inklusive der Wirtschaft herzustellen.

Der holländische Wissenschafter Arjen Wals betont die Notwendigkeit von lebenslangem Lernen in einer reflexiven und empathischen Gesellschaft mit dem Ziel einer hoffnungsvollen und attraktiven Zukunft für alle. Wichtig im Bildungskontext sei es, sich mit „fiesen Fragen“ (wicked questions) auseinanderzusetzen, auf die es keine eindeutigen Antworten gibt. Sind lokale Nahrungsmittel nachhaltiger als importierte? Sind Sonnenkollektoren nachhaltig? Soll die NATO eine Flugverbotszone über der Ukraine einrichten? Die Auseinandersetzung mit diesen komplexen Themen erfordert Zeit, um nicht in die Falle zu tappen, komplexe Zusammenhänge zu vereinfachen und einfache, aber falsche Lösungen zu finden.

Transformative Bildung sei eine Bildung, die sich mit Themen auseinandersetzt, die für Lernende eine Bedeutung haben und sie in den gesamten Bildungsprozess involviert und wo die gesamte Institution nachhaltig ausgerichtet ist. Es brauche Räume, die zu nachhaltigem Handeln einladen und wo Nachhaltigkeit nicht etwas bleibe, das man abstrakt lernt, sondern, die man aktiv lebt.

IDGs – The Inner Development Goals

Als Weiterentwicklung zu den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) werden die IDGs (Inner Development Goals) vorgestellt, die sich als Rahmen transformativer Fähigkeiten und Kompetenzen verstehen, die es für einen aktiven Beitrag zur Realisierung der Nachhaltigkeitsziele braucht. Umso wichtiger ist es daher, sich mit der Frage auseinanderzusetzten „Welche Art der Bildung braucht es?“ um systemische Zusammenhänge zu verstehen, kritisches Denken zu fördern und eine ethische Haltung zu entwickeln. Arjen Wals eindrucksvoller Apell am Schluss: „Replace a culture of fear and powerlessness with a pedagogy of hope and space for action“.

Holistische Zugänge

Die australische Wissenschafterin Karen Malone erläutert am Beispiel der Buschbrände in Australien 2019, dass indigenes Wissen viel zu wenig Berücksichtigung in der Debatte um nachhaltige Entwicklung findet. Traditionelle Praktiken der Aborigines zur nachhaltigen Pflege des Landes u.a. mit Hilfe von lokalen, kontrollierten Buschbränden, wurden vieler Orts unterbunden, sodass es zu diesem weitreichenden Buschbrand mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt kam. Indigenes Wissen sei wesentlich, um Umweltkatastrophen vorzubeugen und westlich-kapitalistische Wissenskulturen hätten von diesen oft holistischeren Zugängen viel zu lernen.

Demokratie braucht Demokrat:innen

Der amerikanische Umweltaktivist David Orr fragt in seinem Beitrag, wer zwei Männern die Macht gegeben habe, mit Atombomben unsere Zivilisation zu beenden und unterstreicht die Wichtigkeit von Demokratie und zivilgesellschaftlichem Engagement als Bedingungen nachhaltiger Entwicklung. Nur eine wachsame und kritische Gesellschaft könne gegen die neoliberale Ökonomie sowie populistische und faschistische Angriffe auf die Demokratie Widerstand leisten.

Den globalen Süden sichtbarer machen

Die südafrikanische Wissenschaftlerin Heila Lotz-Sisitka zeigt in ihrem Beitrag, dass die Herausforderungen der Klimakrise im globalen Süden stärker spürbar seien, während der Großteil der Publikationen dazu im globalen Norden entstünden. Um diese Wissenskluft zu schließen, plädiert sie für eine transformative, transdisziplinäre und grenzüberschreitende Bildung, die nicht-nachhaltige Praktiken, Kulturen und Systeme hinterfragt.

Unter dem Titel „The Power of Connection“ erläutert die Präsidentin der amerikanischen Umweltbildungsgesellschaft Judy Braus drei Dinge, die für die Bewältigung der Klimakrise wesentlich seien: die Stärkung von Netzwerken, die Unterstützung von zivilgesellschaftlichem Engagement in Bezug auf Umweltbildung und den Ausbau des Zugangs zu Naturräumen für alle Menschen.

YEEC – Youth Environmental Education Congress

Zeitgleich mit dem WEEC fand der YEEC (Youth Environmental Education Congress) statt, bei dem sich etwa 120 Jugendliche mit der Frage beschäftigten, welchen Beitrag die Jugend leisten kann, um Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Am dritten Tag brachten die Jugendlichen die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung in die WEEC-Konferenz ein. In mehreren Gruppen präsentierten sie auf kreative und engagierte Weise ihre Sorgen und Hoffnungen. Die wesentliche Botschaft war: Die Jugendlichen haben viele Ideen, wollen sich einbringen, brauchen aber auch die stärker etablierten Erwachsenen, die ihnen nicht nur zuhören, sondern ihnen gegenüber auch die Rolle von Mentor:innen einnehmen und ihnen aktiv individuelle und kollektive Mitgestaltungsmöglichkeiten einräumen.

Der Fub Materialienstand

Aus Sicht des Forum Umweltbildung war es eine erfolgreiche Konferenz mit bereichernden Begegnungen und spannenden Inputs. Am Kongressstand des Fub tummelten sich viele Interessierte aus den unterschiedlichsten Ländern, wie etwa Brasilien, Zypern, Polen, Marokko, Tschechien, Schweden, Griechenland, Schweiz, Deutschland und Norwegen. Die im Vorfeld der Konferenz auf Englisch übersetzten Materialien stießen auf viel Begeisterung. So konnten wir mit jeder Menge positivem Feedback die Rückreise antreten.

Die nächste WEEC wird unter dem Titel „Conncecting people, creating tomorrow“ 2024 in Abu Dhabi stattfinden. Wir streben eine online Teilnahme an, um diesen wichtigen Austausch mit der internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildungsszene aufrecht zu erhalten.


Fotogalerie zur WEEC2022


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